Der fleißige Kollege PD

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Bei vielen Zeitungen der eifrigste Mitarbeiter: pd.

Nachdem ich meinen ersten Text für eine Zeitung geschrieben hatte, blieb noch eine Frage zu klären: „Hast du eigentlich schon ein Kürzel?“

Hatte ich nicht. Hätte man sich natürlich was Tolles ausdenken können. Irgendwas mit Sonderzeichen, statt der üblichen drei Stellen vier, eine Kombination aus großen und kleinen Buchstaben. Aber so schnell fiel mir nichts ein. Der Redakteur sagte: „Dann nehmen wir jetzt RHE.“

So ein Kürzel wird man so schnell nicht mehr los. In der Redaktionskonferenz sagt kein Mensch mehr Peter Meier, denn den Text hat schließlich PEM geschrieben. Steht ja drunter.

Wenn man richtig Pech hat, stellen die Leute sich irgendwann Fragen wie: „Wie heißt OKO noch mal mit Vornamen?“

Für die Redaktionen haben die Kürzel viele Vorteile. Man spart zum Beispiel Kugelschreiber-Tinte, wenn man auf den Terminlisten nicht mehr Sven eintragen muss, sondern nur noch SVE.

Man spart sich zum Beispiel auch lästige Fragen, weil von den Lesern natürlich niemand weiß, wer FKN ist. Deshalb kann auch niemand FKN anrufen, wenn irgendetwas in seinen Texten unklar geblieben ist.

Ulf J. Froitzheim hat hier mal aufgeschrieben, wie seltsam das mit den Kürzeln von außen aussieht – vor allem, wenn man selbst daran beteiligt ist.

Ich bin zwar in einem Punkt nicht ganz seiner Meinung, denn wenn Redaktionen keinen Mitarbeiter zu einem Gospelkonzert schicken, kann das natürlich auch daran liegen, dass irgendwer die bewusste Entscheidung getroffen hat, nicht über dieses Konzert zu berichten. Aber wenn dann hinterher der zugeschickte Pressetext in der Zeitung steht, kann man wohl davon ausgehen, dass es diese Überlegung nicht gab. Insofern hat Ulf Froitzheim dann doch wieder recht.

Welcher Name zu welchem Kürzel gehört, das steht (mit etwas Glück) im Impressum. Aber oft hat man dieses Glück nicht, und das ist wahrscheinlich nicht immer ganz unbeabsichtigt.

In den ersten Monaten bei der Zeitung hatte ich großen Respekt vor dem Kollegen mit dem Kürzel PD. Die Texte und Fotos, die er lieferte, waren zwar meistens nur mittelmäßig, aber dafür schrieb er oft komplette Seiten voll, manchmal mehrere in einer Ausgabe.

Seltsamerweise traf man ihn nie in der Redaktion, aber ich dachte: Klar, wenn man so viel schreibt, muss man auch immer unterwegs sein. Dann musste ich irgendwann ein Foto aus einer Pressemitteilung über einem Text unterbringen. Ich fragte in die Runde: „Was schreib ich denn in den Bildnachweis?“

Irgendwer rief: „PD!“

So erfuhr ich: PD steht für Pressedienst. Das klingt einigermaßen professionell, und so muss man wenigstens nicht unter dem Foto erwähnen, dass der Schriftführer vom Schützenverein die Bilder mit dem Smartphone aufgenommen hat, weil kein Mitarbeiter der Zeitung verfügbar war.

Zeitungslesern bringt das Kürzel gar nichts. Sie können nicht unterscheiden, ob es sich um einen Redakteur, den Mitarbeiter einer PR-Agentur oder den Sohn vom Pressewart des Angelvereins handelt, der diesen Artikel geschrieben hat.

Wahrscheinlich ist das einigen Zeitungen oder Anzeigenblättern aber auch ganz lieb, denn die drei Buchstaben „RED“ unter allen Texten lassen zumindest noch die theoretische Möglichkeit offen, dass der Kollege Rolf Edinger sich wieder mal die Finger wund geschrieben hat.

Für den Mantelteil von Regionalzeitungen arbeiten übrigens weder RED noch der ubiquitäre Kollege PD, denn da ist ja Detlev Pasczinski (dpa) zuständig. Der schreibt manchmal die ganze Zeitung zu, und das sieht natürlich auch doof aus.

In Wirklichkeit ist dpa nämlich die Deutsche Presse-Agentur. Aber das sollen die Leser gar nicht überall wissen. Eine Zeitung aus Stangenware. Wie sähe das denn aus?

Deshalb verwendet man einfach den Autorennamen und lässt den Arbeitgeber weg. Die dpa-Texte werden ja schließlich auch von Menschen geschrieben.

Natürlich ist es nicht automatisch ein Ausweis für Qualität, wenn hinter dem Autorennamen unter dem Artikel ein Mensch steckt, der tatsächlich bei diesem Medium angestellt ist. Aber wenn nicht mal diese Voraussetzung erfüllt ist und die Zeitung schon die Information über den Autor vernebelt, will ich eigentlich gar nicht mehr wissen, wie der Rest des Textes zustande gekommen ist.

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3 Kommentare

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Ulf J. Froitzheim
30.06.2015 um 23:51

Im von mir aufgegriffenen Fall ging es vor allem darum, dass der (unhonorierte) Fotograf nicht nur unterschlagen wurde, sondern dass ein vermeintlicher, aber niemandem namentlich erklärlicher Kollege „FKN“ sich mit den fremden Federn schmückte. Inzwischen hat mir ein Lästermaul zugeraunt, das stehe für „Foto kostet nix“, womit also ein neues Pseudonym des fleißigen oh enttarnt wäre.
Redaktionen, die so arbeiten, brauchen mal eine Schulung, in der ihnen erklärt wird, dass sie das allenfalls mit Texten machen können, die regelmäßig keine Schöpfungshöhe aufweisen, die sie zum Werk adeln würde, während die Rechtssprechung den Werkcharakter bei Fotos grundsätzlich annimmt. Damit handelt es sich um einen Verstoß gegen das Urheberpersönlichkeitsrecht, und der verschwiegene Fotograf bräuchte nur zu klagen und bekäme quasi automatisch recht – und die Kacke würde dampfen in der Redaktion.

Ralf Heimann
01.07.2015 um 11:56

Ich muss ja gestehen: Ich bin da früher selbst recht gedankenlos gewesen, weil das einfach in vielen Redaktionen so üblich ist, dass man mit dem Material anderer Leute so umgeht wie mit Steinen, die man auf der Straße findet.

Einen Bildnachweise für Fotos, die nicht von Mitarbeitern sind, gab es ganz lange auch gar nicht. Aber – Sie schreiben es – das kann natürlich teuer werden, wenn sich ein Anwalt meldet, und nur so ändert sich das dann. Glücklicherweise.

Deswegen hat der Kollege PD inzwischen auch deutlich weniger zu tun. (Mein Eindruck, wenn ich so in die Zeitung schaue.)

Irgendwie hängt da natürlich auch alles zusammen. Das fehlende Bewusstsein dafür, dass diese Fotos und Texte das Ergebnis von Arbeit sind, die jemand geleistet hat, und dass diese Arbeit zumindest theoretisch einen Wert hätte, auch wenn er praktisch natürlich nicht gezahlt wird.

Es ist ja kurioserweise sogar so, dass man in Redaktionen gar keinen Mangel darin sieht, wenn man irgendwo anrufen und die Leute darum bitten muss, doch selbst ein paar Fotos von der Veranstaltung zu liefern – und am besten auch noch einen Text.

Da ärgert man sich dann am nächsten Morgen sogar noch über die unfähigen Trottel, die wieder unscharfe Fotos geschickt haben und Texte, die man nicht so abdrucken kann, wie sie gekommen sind.

Vorschlag vielleicht: Flächendeckende Schulungen für Menschen, die in irgendwelchen Organisationen oder Vereinen tätig sind. Die wären dann schon mal besser ausgebildet als die freien Mitarbeiter, die man am Wochenende so rumschickt. Auf Dauer bräuchte man dann nur noch einen Redakteur, der die Zeitung aus den E-Mails zusammenkloppt und die Texte und Fotos mit Kürzeln und Bildnachweisen versieht.