Ruhm posthum: Wie die Lepra-Gruppe sich auflöste

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Ich war ein bisschen aufgeregt, denn man weiß ja nie, wie jemand reagiert, dessen ärgerlichen Aussetzer man als Titel für ein Buch verwendet hat. Findet der das auch so witzig wie man selbst? Ist der womöglich sauer? Ich war mir nicht sicher, aber dann habe ich einfach angerufen, denn ich wollte wissen, wie das damals war mit dieser Meldung: Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst.

Lepra-Gruppe

Vor ein paar Tagen ist unser Buch erschienen. Seitdem fragt ständig jemand, wie solche Fehler denn passieren können. Eigentlich muss man ja sehen, dass da etwas nicht stimmt, wenn man so eine Meldung vor sich auf dem Bildschirm hat. Und es stimmt ja auch. Eigentlich muss man das sehen. Aber manchmal sieht man es eben nicht.

Ich hatte einen alten Kollegen aus meiner Zeit als Volontär in Steinfurt angerufen. Der nannte mir einen Namen, wo ich mich mal melden sollte. Die Kollegin könnte das wohl gewesen sein, sagte er. Also rief ich da an, ließ mich durchstellen und schilderte mein Anliegen. Kurze Pause. Stille.

„Die Lepra-Gruppe, ja. Das ist jetzt aber auch schon Jahre her“, sagte die Kollegin – nicht so, als hätte sie gerade auf meinen Anruf gewartet, aber auch nicht unfreundlich.

Dass ihre Überschrift im Netz ziemlich bekannt geworden ist, hat sie eher am Rande wahrgenommen. Und das Buch, ja, da habe mal jemand was erzählt. Aber auch nichts Genaues. Dann stellte ich ein paar Fragen.

Ich wollte wissen, wer das überhaupt war, diese Lepra-Gruppe. Und das hatte sie noch ziemlich gut vor Augen. Ein paar ältere Frauen, die sich im Horstmarer Stadtteil Leer regelmäßig zur Handarbeit trafen, die Ergebnisse dann auf einem Basar verkauften und den Erlös an die Lepra-Hilfe gaben.

Später stellte ich fest: Ich hätte das auch einfach googeln können. Aber mir erschien das, als wäre es schon Jahrzehnte her. Doch es sind gerade mal drei Jahre.

In diesem sieben Jahre alten Artikel ist das Problem absehbar. Die Gruppe sucht Nachwuchs. Das älteste Mitglied ist 96 Jahre alt. Vier Jahre später kommt in der Steinfurter Redaktion die Nachricht an, dass die Lepra-Gruppe ihre Arbeit eingestellt hat. Am Tag darauf steht es in der Zeitung, nur eben etwas anders formuliert.

Dass man die Formulierung auf der Titelseite auch anders verstehen kann, als sie gemeint war, fiel der Kollegin erst auf, als es ihr jemand erklärte. Auch daran erinnert sie sich noch. Aber wie so etwas passiert? Schwer zu sagen.

Die Kollegin ist jedenfalls nicht alleine. Dieser Ausschnitt stammt aus dem ostfriesischen General-Anzeiger. 
Lepra-Kreis

Wahrscheinlich ein grundsätzliches Problem mit Homonymen, also Wörtern, die gleichzeitig unterschiedliche Dinge bezeichnen. Wie man sie versteht, hängt davon ab, in welchen Zusammenhängen man die Wörter normalerweise hört.

Wenn man zum Beispiel in Langenargen am Bodensee Menschen auf der Straße fragt, wo ihre minderjährigen Kinder so ihre Ferien verbringen und die Antwort immer wieder lautet: „Bierkeller“, muss man sich keine Sorgen machen, und auch die Leute in Langenargen werden das nicht tun, denn Bierkeller ist dort der Name eines Ortsteils.

Ungefähr so könnte es auch in dem Fall hier gewesen sein.

„Sag mal, was fällt dir zum Thema Kotzen ein?“

„Natürlich Bergwandern.“

Kotzen

Vielleicht liegt die Erklärung aber auch viel näher, denn manchmal steht man einfach auf dem Schlauch. Oft wird einem so etwas einen Moment oder ein paar Stunden später schlagartig klar – als Journalist meistens genau eine Minute nach Redaktionsschluss.

So gegen Ende unseres Telefonats sagte die Kollegin: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich natürlich einfach geschrieben: Lepra-Gruppe hört auf.“

Vollkommen ungefährlich wäre jedenfalls die Überschrift des Original-Artikels gewesen, auf den die Meldung „Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst“ verweist. Den habe ich dann auch noch gefunden. Das wäre der hier:

Lepra-gruppe-original

 

Den Namen der Kollegin nenne ich übrigens nicht, weil genau das ja immer die Geschichten sind, die man dann später jahrelang bei Google findet. Und dazu könnte man zum Beispiel mal Frank Mill fragen.

Frank Mill

 

 

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